Platz! – Autos & Stadt

Immer wieder das Auto – hat unsere Gesellschaft einen Sün­den­bock gefun­den, an dem sich aller Umweltschutzfrust abladen kann? Mit­nicht­en. PKWs mögen tech­nis­che Meis­ter­w­erke, faszinierende, begehrenswerte Objek­te und lei­der oft schw­er erset­zlich sein – nur eine kluge Lösung sind sie eben häu­fig auch nicht, beson­ders nicht in der Stadt.

Mobil­ität ist ein men­schlich­es Grundbedürf­nis – vom Einkauf über den Arbeits- oder Schul­weg bis zu allen For­men von Freizeitak­tiv­itäten span­nt sich das Bedürf­nis, mobil zu sein – sich, seine Begleit­er und das nötige Bei­w­erk von A nach B zu bewe­gen.

Weil die Wege immer länger und die zu trans­portieren­den Per­so­n­en und Güter immer mehr wur­den ent­stand mit der Dampfeisen­bahn vor fast 200 Jahren der motorisierte Verkehr. Einige Jahrzehnte später, als die Städte sich verdichteten, war Tier- und Men­schenkraft nicht länger aus­re­ichend, um den Trans­portbe­darf auf Kurzstreck­en noch sin­nvoll abzudeck­en. Die Inno­va­tion bescherte uns daher kurz vor der vor­let­zten Jahrhun­der­twende das Auto­mo­bil. Anfangs als tech­nol­o­gis­che Inno­va­tion nur aus­gewählten Per­so­n­en­grup­pen zugänglich entwick­elte es sich mit dem durch die wach­senden Städte immer größeren Trans­portbe­darf ras­ant weit­er und ver­band bald über­all Stadt und (Umland), bewegte Men­schen und Güter und erlebte nach dem ersten Weltkrieg seine massen­hafte Ver­bre­itung.

Etwa ein­hun­dert Jahre später ste­ht das Auto­mo­bil längst nicht mehr so unange­focht­en an der Spitze der mobilen Evo­lu­tion­spyra­mide. Kri­tik ist laut gewor­den und die ist häu­fig auch berechtigt.

Was macht ein Auto aus heutiger Perspektive so kritikwürdig:

  • Autos verur­sachen Emis­sio­nen
    • Lärm
    • Abgase (Stick­oyde, CO2, Fein­staub)

Hier­auf reduziert sich häu­fig die Diskus­sion und es wird davon aus­ge­gan­gen, wenn man z.B. durch die Elek­tro­mo­bil­ität die Emis­sio­nen drastisch senkt, das ›Prob­lem Auto‹ gelöst ist. Lei­der gibt es noch mehr kri­tik­würdi­ge Punk­te:

  • Autos sind im wesentlichen für die Insassen sich­er
  • Autos sind ener­getis­ch­er Irrsinn
    • Auto: Nut­zlast <500kg bei Eigengewicht von ~2.000kg
    • Fahrrad: Nut­zlast ~150kg bei Eigengewicht von ~15kg
  • Autos ver­brauchen große Ressourcen bei der Her­stel­lung und im Betrieb
  • Autos ver­brauche sehr, sehr viel Platz
    • Park­platz am Start, am Ziel und oft auch auf dem Weg
    • Verkehrsraum – fast 5% der deutschen Land­fläche sind Straßen
      zum Ver­gle­ich: weniger als 1% für Wind­kraft ver­wen­det
    • viele deutsche Kinderz­im­mer sind klein­er als ein nor­maler Park­platz.
Flächen­ver­brauch von Mobil­ität­sop­tio­nen bei unter­schiedlichen Geschwindigkeit­en. Quelle Stadt Wien

Was kann man besser machen

  • Auto nur da nutzen, wo die Alter­na­tiv­en nicht zumut­bar sind
  • ÖPNV fahren
  • Fahrrad fahren
  • zu Fuß gehen
  • Auto und andere Verkehrsträger kom­binieren
    • P+R (Park + Ride): mit dem Auto zum näch­st­gele­ge­nen Bahn­hof und ab da mit dem ÖPNV in die Städte ein­pen­deln.
    • Auto + Rad: mit dem Auto an den Stad­trand und mit dem Fahrrad weit­er fahren

Aber das Auto ist doch…

  • bequem! Stimmt.
  • für Streck­en unter einem Kilo­me­ter über­haupt nicht ver­ant­wort­bar, allein schon, weil Ihnen das in der kalten Zeit der Motor nicht verzei­ht. Diese Streck­en sind mit dem Rad oder zu Fuß prob­lem­los ohne nen­nenswerte Zeitver­luste zu bewälti­gen.
  • für den Einkauf nicht zu erset­zen. Mal ehrlich: müssen Sie wirk­lich ihre Speisekam­mer für den drit­ten Weltkrieg rüsten? Anson­sten passt genug für ein paar Tage vierköp­fige Fam­i­lie ernähren auch prob­lem­los in zwei Einkauf­s­tauschen. Weniger und häu­figer kaufen heist die Lösung. So ver­gisst man auch nicht per­ma­nent irgendwelche ver­fal­l­enen Pro­duk­te im Kühlschrank und isst immer frische Sachen.
  • so toll fürs Getränke holen. Stimmt — aber Wass­er gibt es (fast) kosten­los aus dem Hahn und mit einem preiswerten Sprudler bekommt man es spritzig ohne Kisten zu schlep­pen. Und Sie kaufen doch nicht wirk­lich dieses Bon­bon­wass­er, von dem man schlechte Zähne bekommt, dick wird und Dia­betes bekommt? Wenn doch: das kann man auch aus Sirup mit Sprudler her­stellen. Für alles andere (Bier, Wein, Säfte) kön­nen Sie ein­mal alle paar Wochen eine Autorunde machen, denn das kann man super bevor­rat­en.
  • die einzige Lösung für den Trans­port von größeren Las­ten. Wirk­lich? Dinge des täglichen Bedarfs kann man z.B. auch in einem Fahrradan­hänger bewe­gen, für Kinder gibt es Kinder­sitze (auf dem Rad oder im Anhänger) und wer kein Ges­pann fahren will, kann über ein Las­ten­rad nach­denken.
  • so prak­tisch um über­all hin zu kom­men. Ehrlich: wie oft müssen Sie ›über­all‹ hin? Wenn der großteil ihrer Autostreck­en in der Stadt Rou­tine-Auf­gaben sind, kann man gut über­prüfen, ob es Alter­na­tiv­en zu dazu gibt. Wenn man nur sel­ten ein Auto benötigt, lohnt auch die Über­legung, ein Car­shar­ing zu nutzen.

Am Ende muss jed­er selb­st entschei­den, in wie weit er auf ein Auto verzicht­en kann – jed­er nicht gefahrene Kilo­me­ter ist nicht nur eine Ent­las­tung für die Umwelt, son­dern  auch für die Verkehr­swege und diejeni­gen Aut­o­fahrer, die den PKW vielle­icht ger­ade nicht ver­mei­den kon­nten.

 

Hörbeitrag in der Lotte-Mediathek