Die Kultur der Reparatur
Reparaturtauglich kaufen
In der EU wird aktuell ein Recht auf Reparatur diskutiert, demzufolge Produkte eine Reparaturfähigkeit besitzen sollen und Reparaturmöglichkeiten und Ersatzteilversorgung durch die Hersteller vorzusehen sind. Bis dieses Recht in allen relevanten Bereichen beschlossen und durchgesetzt ist, müssen Verbraucher*innen beim Neukauf von Produkten selbst darauf achten, möglichst reparaturfähige Produkte zu kaufen. Dabei helfen u.a. folgende Kriterien:
- Zerlegefreundliche technische Geräte – verschraubt oder mit anderen erkennbar lösbaren Verbindungen versehen Produkte sind von Vorteil, geklebte oder geclipte sind reparaturfeindlich.
- Besonders bei Kleidung sollte auf Robustheit der Verschleißteile geachtet werden – wenig wertige Reißverschlüsse, Druckknöpfe, Klettverschlüsse oder minderwertige Stoffe reduzieren oft die Haltbarkeit.
- Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Verschleißteilen ist für theoretisch langlebige Produkte von besonderer Bedeutung – besonders bei Werkzeug, Spielzeug und anderen technischen Geräten mit vorhersebarem Verschleiß lohnt es, sich vor dem Kauf darüber zu informieren.
Eigene Reparaturfähigkeiten entwickeln und Reparaturmögilchkeiten aufbauen
Besonders in den neuen Bundesländern herrscht in den älteren Generationen noch keine Wegwerfmentalität, da die DDR eine Mangelwirtschaft war, in der Vieles möglichst lange halten musste. Reperaturkompetenzen sind sowohl bei Kleidung als auch technischen Gütern deshalb häufig noch vorhanden.
Wer darauf nicht zurückgreifen kann, kann sich in Repaircafés oder Makerspaces mit Gleichgesinnten treffen und gemeinsam an seinen Reparaturfähigkeiten arbeiten. Dort kann mensch sich von einfachen mechanischen Reparturen über kleine Tauscharbeiten bei Elektrogeräten bis zu Nachbauten von Ersatzteilen und Verbesserungen sowie Upcycling vorhandener Produkte einiges arbeiten.
Für kleinere, häufiger wiederkehrende Reparaturen hilft ein sorgfältig entwickeltes Sortiment an Werkzeugen zu Hause. Diese sollten mit den eigenen Fähigkeiten wachsen und nicht auf Vorrat gekauft werden – wichtig von Anfang an ist es, auf hochwertiges Werkzeug achten, denn schlechtes gibt dem ohnehin schon defekten Produkt möglicherweise ›den letzten Rest‹.
Es benötigt auch nicht jedermensch alle Werkzeuge – viele Werkzeuge werden nur selten benötigt und eignen sich daher gut zum Tauschen oder Teilen. So können Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten jeweils ihre individuellen Stärken entwickeln und in der Gemeinschaft profitieren alle Beteiligten vom der verteilten Expertise, z.B. bei Holzbearbeitung, Elektronik, Fahrzeugreparatur, Hand- und Näharbeiten usw.
Wichtig ist auch: nicht alle Produkte müssen nach der Reparatur wieder in neuwertigem Zustand sein. Wir sollten uns von dem Gedanken verabschieden, dass erkennbare Macken an eigentlich funktionsfähigen Produkten ein Nachteil sind. In einigen Kulturen machen sichtbare Repaturspuren gar den Wert eines Objektes aus.
Reparturen lohnen sich vielleicht zuweilen finanziell nur wenig, aber sie tragen zur Schonung unserer Umwelt und Ressourcen erheblich bei. Dabei darf überall da, wo keine Sicherheitsrisiken durch mangelnde Fachkenntnisse entstehen kann – z.B. Elektrogeräte mit gefährlichen Stromstärken, Fahrzeugsicherheit, Sicherheits- und Schutzausrüstung u.ä. – auch gerne mutig ausprobiert werden, denn scheitert der Reparaturversuch, gibt es trotzdem einen Lerneffekt und scheitert er, steht mensch nicht schlechter da als vorher. Am Ende einer erfolgreichen Reparatur steht das Glücksgefühl, etwas erhalten und Geld gespart zu haben und ein weiteres Produkt, dessen Ressourcen noch ein wenig länger sinnvoll genutzt werden.
Lesetip:
Wolfgang H Heckl: Die Kultur der Repartur; Goldmann 1. Aufl. 2015, © 2013