Ich bin dann mal (nicht) weg.

Die Deutschen sind ein Rei­sevolk. Bis zur Grün­dung der bei­den deutschen Staat­en reiste man höch­stens ein­mal im Jahr und weitest­ge­hend im Land. Mit dem ein­set­zen­den Wirtschaftswun­der reis­ten dann immer mehr Deutsche in immer weit­er ent­fer­nte Gegen­den in den Urlaub. Mit zunehmend ent­fer­n­teren Zie­len und sink­enden Preisen wird das Fliegen immer pop­ulär­er.

Auch wenn die Luft­fahrt­branche weltweit nur etwas 2% zur CO2-Bilanz beiträgt1 – »Der Beitrag der [Luftfahrt-]Branche zur Erder­wär­mung ist min­destens dop­pelt so groß, wie der des CO2 für sich alleine genom­men.«1. Dieser Anteil ist deswe­gen so beachtlich, weil weltweit nur etwa 3% aller Men­schen je geflo­gen sind1. In den entwick­el­ten Indus­trielän­dern sieht es dage­gen anders aus – jede*r Deutsche fliegt fast 3x im Jahr2.

Das Fernweh lockt

In vie­len Unter­suchun­gen wurde die pos­i­tive Wirkung des Reisen bere­its unter­sucht. Reisen bildet, hil­ft kreativ­er zu denken und Vorurteile abzubauen. Reisen ist auch für viele Län­der und Regio­nen ein unverzicht­bar­er Wirtschafts­fak­tor, beson­ders wenn es um nach­haltige Reise­for­men geht. Ein Verzicht auf’s Reisen wäre daher keine gute Idee – so lange man wirk­lich reist und nicht ein­fach nur bil­lige Vol­lver­sorgung in ein­er Beton­burg in der Ferne sucht.

Fernreisen befeuern den Treibhauseffekt

Aus ökol­o­gis­ch­er Per­spek­tive prob­lema­tisch beim Reisen ist vor allem die An- und Abreise. Staus auf den Auto­bah­nen, über­füllte Züge und Flughäfen – beson­ders an Ferien­an­fän­gen und ‑enden zeigt sich, wie stark das Ver­reisen unsere Mobil­itätsin­fra­struk­tur beansprucht und damit auch Ressourcen fordert und ver­braucht. Am prob­lema­tis­chsten sind jedoch die Fer­n­reisen, weil Fliegen und die nötige Infra­struk­tur so ressourcenhun­grig und energiein­ten­siv ist.

Nachhaltig reisen ist nicht unmöglich

Wer nach­haltig Reisen will, kann jedoch einiges beacht­en:

  • Nähere Reiseziele wählen
    Muss es jedes­mal ein anderes, möglichst fernes Land sein? Viele Men­schen stellen sich die Frage und ein Umdenken ist längst im Gange, wie die wach­senden Gästezahlen in den Nahzie­len in und um Deutsch­land zeigen.
  • Mit der Bahn reisen
    Auf Kurz- und Mit­tel­streck­en muss es nicht immer das Flugzeug sein. Oft beträgt der Zeitvorteil zur Bahn nur wenige Stun­den oder ist gar nicht vorhan­den. Paris, Warschau, Prag, Kopen­hagen, Brüs­sel, Ams­ter­dam, Rot­ter­dam, Straßburg, Zürich oder Wien sind mit dem Flugzeug kaum schneller zu erre­ichen als mit der Bahn oder (zur Not) dem Auto. Ein Beispiel: Weimar–Paris, per Bahn in knapp 7h, Door-2-Door in 7:30 erre­ich­bar benötigt per Flug 7h. Nicht ein­gerech­net sind die bei Flu­greisen unbe­d­ingt nöti­gen Sicher­heit­spuffer für Zugver­spä­tun­gen und Anschlussprob­leme. Der reduzierte Stress und weit weniger Ein­schränkun­gen bei Gepäck und Platz machen die Bah­n­reise in der Regel zur kom­fort­ableren Erfahrung im Ver­gle­ich zum Fliegen.
    • Anreise zum näch­sten Flughafen: Door-2-Gate: 3,5h
    • Vor­laufzeit am Flughafen (Sicher­heit, Gepäck, Check-In): 1,5h
    • Flugzeit: 1,5h
    • Nach­lauf am Flughafen (Gepäck, Weg zur RER): 1h
    • Fahrt zum Zielpunkt (RER + Taxi ab Gare du Nord) Gate-2-Door: 1h
  • Auf Schif­f­en mit­fahren (Keine Kreuz­fahrten!)
    Eine sehr entspan­nte Alter­na­tive zum schnellen Reisen zumin­d­est auf mit­tleren Streck­en ist die Mit­fahrt auf Han­delss­chif­f­en. Abseits des üblichen Kom­forts wird die Reise zum Erleb­nis und gibt Zeit und Ruhe, bevor man das eigentliche Ziel erre­icht.
  • Selb­st das Auto ist ökol­o­gis­ch­er als ein Flugzeug
    Auch wenn es schw­er vorstell­bar ist, warum man sich stun­den­lang ›hin­ters Steuer klemmt‹, Tankaufen­thalte, Mautkauf und franzö­sis­che Umwelt­plakette auf sich nimmt – selb­st mit dem Auto erre­icht man in Ergänzung zum obi­gen Beispiel Paris in etwa der gle­ichen Zeit wie mit dem Flugzeug.

All diese Aspek­te mögen je nach Stan­dort unter­schiedlich gewichtet sein – ger­ade von den Metropolen erfliegt sich die Welt viel schneller als aus der Prov­inz – aber allein der Aspekt, ohne große Hek­tik mit weni­gen oder keinen Unter­brechun­gen aus­geruht am Ziel anzukom­men macht das Fliegen auf Kurzstreck­en vol­lkom­men sinn­los und auf Mit­tel­streck­en zumin­d­est über­denkenswert.

Wenn man Fliegt

Trotz­dem möchte natür­lich kaum ein­er mit dem Rud­er­boot zu den Schätzen Indi­ens auf­brechen oder per Anhal­ter bis in die Anden reisen. Deswe­gen gibt es auch einiges, was man beim Fliegen tun kann, um den hin­ter­lasse­nen Abdruck so gut es geht auf zu reduzieren.

  • Non-Stop-Fliegen ist sin­nvoller als mehrere Zwis­chen­stops, auch wenn dies zuweilen preiswert­er ist. Den meis­ten Treib­stoff braucht der Start und das Erre­ichen der ökonomisch sin­nvoll­sten Flughöhe von bis zu 13km. Auf­grund des gerin­geren Luftwider­standes ist dort die Wirtschaftlichkeit am höch­sten.
  • ›Leicht‹ reisen schont nicht nur die Reisekasse, weil man auf aufgegebe­nen Gepäck verzicht­en oder Auf­schläge ver­mei­den kann – es reduziert auch den Pro-Kopf-Ver­brauch.
  • Kli­maaus­gle­ich­sportale unter­stützten Pro­jek­te zur Reduzierung oder Bindung von Treib­haus­gasen, z.B. durch Auf­forstung und Rena­turierung großer Waldge­bi­ete, oft in Lateinameri­ka oder Afri­ka. So kann man den Kli­maschaden möglichst ger­ing hal­ten. Dafür gibt es mehrere Anbi­eter, z.B. Atmos­fair.


Hörbeitrag in der Lotte Mediathek

Quellen

  1. DW über das Prob­lem mit dem Fliegen
  2. Sta­tista: Beförderte Per­so­n­en im Luftverkehr in Deutsch­land