Silvester ohne Böller

An Sil­vester erwacht bei vie­len Deutschen das Kind im Manne. Der deutsche Mann – oder sel­tener auch ein­mal eine Frau – kommt dann, bepackt mit Tüten und Palet­ten voller Pory­tech­nik aus den diversen Son­derverkaufs­bere­ichen nach Hause und sehnt nichts mehr her­bei wie den Moment, wo auf den Straßen legal kriegsähn­liche Zustände her­beige­führt wer­den dür­fen. Aber des einen Freud ist des anderen Leid.

Eines mein­er schön­sten Sil­vester hat­te ich im Jahr 2004/2005. Ich besuchte mit mein­er Frau eine ihrer Stu­di­en­fre­undin­nen in Liss­abon und war vol­lkom­men über­rascht: kein Gek­nalle, kein Raketenge­heul schon Stun­den vor Mit­ter­nacht. Als die Uhr sich langsam der zwölften Stunde näherte, gin­gen viele Liss­abon­ner auf ihre Däch­er oder den näch­st­gele­ge­nen Miradouro, von dem man in Rich­tung Praça do Comér­cio schauen kon­nte. Bei dem einen oder anderen Gläschen Port bestaunten alle das zen­trale Feuer­w­erk der por­tugiesis­chen Haupt­stadt.

Silvestertraditionen sind regional verschieden

Was so beson­nen daher kommt, hat in Por­tu­gal nicht nur kul­turelle Ursprünge, son­dern auch einen weit­eren wichti­gen Grund. Die Alt­städte sind dicht bebaut voller klein­er Häuser ohne nenneswerten Brand­schutz. Selb­st ohne Sil­vester­feuer­w­erk haben auch in der Neuzeit schon mehrfach schwere Feuer z.B. in Liss­abon Teile der Alfama und des Chi­a­dos oder Teile der Innen­stadt von Por­to unwider­bringlich zer­stört. Ein zusät­zlich­es Bran­drisiko möchte dort kein­er einge­hen. Aber nicht nur der Brand­schutz hält die Por­tugiesen beim Feuer­w­erk zurück – es ist kul­turell dort bei weit­em nicht so pop­ulär wie in Deutsch­land, wo das Neu­jahrs­feuer bis in vorchristliche Zeit­en zurück zu führen ist.

Vieles spricht gegen exzessives Feuerwerk

  1. Der Brand­schutz, ins­beson­dere in his­torischen Alt­städten, auch in Weimar (wo es auch wie ander­norts teil­weise auch ver­boten ist).
  2. Die hohe Fein­staubbe­las­tung, die zum Jahre­san­fang deswe­gen in weit­en Teilen Deutsch­lands die Gren­zw­erte deut­lich über­steigt1.
  3. Das Lei­den der meis­ten Haus- und Wildtiere, die der­ar­tige Geräusche aus ihrer natür­lichen Umge­bung nicht ken­nen und in Angst und Panik ver­fall­en2.
  4. Der Müll, der über­all unkon­trol­liert herabreg­net und dessen Entsorgung alle Steuerzahler mit tra­gen müssen3.
  5. Die Ressourcen, die die Her­stel­lung der Pyrotech­nik benöti­gen sowie die Arbeits- und Her­stel­lungs­be­din­gun­gen in den Herkun­ft­slän­dern4.

Die Alternativen…

Am besten ist es, sich neue Bräuche anzueignen und auf das Feuer­w­erk zu verzicht­en. Zeit­en ändern sich und nicht jede Tra­di­tion ist heute noch zeit­gemäß. Wer aber nicht auf Feuer­w­erk verzicht­en kann, sollte gemein­sam mit anderen ein großes Feuer­w­erk machen. Dies hand­haben z.B. viele Orte außer­halb Weimars so. Damit reduziert sich der Krach und Schmutz auf einen Ort, den man danach auch zusam­men aufräu­men kann. Gle­ichzeit­ig passiert für alle mehr, als wenn jed­er im pri­vat­en Wet­trüsten die anderen zu übertrumpfen sucht.

Spenden statt Böller

Ein Klas­sik­er ist die Aktion ›Brot statt Böller‹ von Brot für die Welt. Natür­lich freuen sich auch alle anderen Ini­tia­tiv­en und NGOs über eine Spende zum Jahreswech­sel.

Tieren helfen statt sie zu quälen

Viele Men­schen wer­ben heute für ein Sil­vester ohne Böller auch in Inter­esse des Tier­wohles. Sie kaufen statt dessen z.B. Tier­fut­ter und brin­gen es den örtlichen Tier­heimen oder spenden für diese. Alter­na­tiv wird in den sozialen Medi­en oft dazu aufgerufen, Tier­heime durch frei­willige Arbeit oder Spenden zu unter­stützen.


Hörbeitrag in der Lotte-Mediathek

Weitere Quellen

  1. Dicke Luft zum Jahreswech­sel‹ beim Umwelt­bun­de­samt
  2. Infor­ma­tio­nen zu Tieren und Sil­vester beim Tier­schutzbund
  3. Die Welt über die Plage mit dem Müll am Neu­jahrstag
  4. Beitrag zu den Arbeits­be­din­gun­gen bei der Feuer­w­erk­spro­duk­tion bei Utopia